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Krise als Chance:
Ablauf eines Insolvenzverfahrens

Wir sind auf die Begleitung von Unternehmenskrisen spezialisiert. Die nachfolgenden Informationen beziehen sich daher auf Unternehmensinsolvenzverfahren. Für Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen, insbesondere von Verbrauchern, gelten Besonderheiten. Nähere Auskünfte hierzu erteilen etwa die anerkannten Schuldnerberatungsstellen.

Der Grundgedanke des Insolvenzverfahrens ist, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen eines Schuldners (Schuldnerunternehmens) verwertet und der Erlös an die beteiligten Gläubiger verteilt wird oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung, insbesondere zum Erhalt des Unternehmens, getroffen wird (vgl. § 1 InsO). Daneben hat das Insolvenzverfahren auch Ordnungsfunktion. Unabhängig von einer etwaigen Gläubigerbefriedigung werden beispielsweise Haftungsansprüche geprüft und durchgesetzt, Geschäftsunterlagen ausgewertet und für die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen eingelagert, Steuererklärungen erstellt etc.

Mit Eingang eines Insolvenzantrags beginnt das sog. Insolvenzeröffnungsverfahren oder Insolvenzantragsverfahren. Hierbei prüft das Gericht zunächst die Zulässigkeit des Antrags, wobei sich die Prüfung bei Eigenanträgen (das Schuldnerunternehmen stellt selbst Insolvenzantrag) und Fremdanträgen (ein Gläubiger stellt Insolvenzantrag) unterscheidet. Ist der Insolvenzantrag zulässig, bestellt das Gericht meist einen Gutachter, wenn sich die zuständige Richterin oder der zuständige Richter nicht bereits aus der Akte ein umfassendes Bild machen können. Der Gutachter wird in der Regel beauftragt, binnen einer bestimmten Frist in einem Sachverständigengutachten zu prüfen, ob ein Insolvenzgrund tatsächlich gegeben ist. Den Beschluss über die Gutachterbestellung erhält das Schuldnerunternehmen in Ausfertigung. Neben der Ausführung des reinen Gutachtenauftrags hat der Sachverständige dem Gericht aber auch umgehend Bericht über die vorgefundene Ausgangslage zu erstatten und dabei etwaige Anhaltspunkte mitzuteilen, die aus seiner Sicht die Anordnung von (ggf. weiteren) Sicherungsmaßnahmen (§§ 21, 22 InsO) erforderlich erscheinen lassen. Hierzu wird der Sachverständige unmittelbar nach seiner Beauftragung Kontakt mit dem Schuldnerunternehmen aufnehmen, zumeist erst einmal telefonisch. Außerdem wird er sogleich Recherchen zu dem Unternehmen einleiten und bei Dritten, insbesondere Banken Auskünfte zum Schuldnerunternehmen einholen. Das Bedürfnis für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen kann sich dem Gericht freilich auch schon unmittelbar aus dem Akteninhalt ergeben. Sobald der Sachverständige alle relevanten Informationen gesammelt hat, erstattet er sein Insolvenzgutachten. Die ihm im ersten Beschluss gesetzte Frist wird er dabei häufig nicht einhalten können, weil die Aufklärung der Vermögensverhältnisse eines Schuldnerunternehmens komplex ist. Auf entsprechenden Antrag wird das Gericht daher in der Regel die gesetzte Frist verlängern. Das Sachverständigengutachten gibt sodann – soweit nicht ausnahmsweise das Gericht eine andere Fragestellung formuliert hat – als rechtliches und betriebswirtschaftliches Gutachten eine Stellungnahme dazu ab, ob aktuell Zahlungsunfähigkeit und – soweit relevant – drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung vorliegt. Ferner beantwortet es die Frage, ob die Kosten eines Insolvenzverfahrens voraussichtlich gedeckt sein werden, was bei bestehender Insolvenzreife für die Frage entscheidend ist, ob das Verfahren eröffnet werden kann oder der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen werden muss. Der Gutachter ist übrigens – solange er nicht vom Gericht mit weiteren Befugnissen ausgestattet wird oder er als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird – reiner Sachverständiger in einem Zivilverfahren. Er hat keine besonderen darüber hinausgehenden Kompetenzen und er ist insbesondere nicht befugt, Erklärungen für das Schuldnerunternehmen abzugeben oder für das Unternehmen entgegenzunehmen.

Sind Vermögenswerte zu sichern, ordnet das Gericht zum Schutz vor nachteiligen Veränderungen des Schuldnervermögens im Insolvenzantragsverfahren sog. Sicherungsmaßnahmen an, soweit das dem Gericht erforderlich erscheint. Die „häufigsten“ Sicherungsmaßnahmen sind die vorläufige Einstellung oder Untersagung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen und die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung. Je nach Fallgestaltung kommen weitergehende Sicherungsmaßnahmen in Betracht, etwa die Siegelung oder Inbesitznahme von Sachen oder Räumen, das Verbot an Dritte ihnen abgetretene Forderungen des Schuldnerunternehmens einzuziehen oder in deren Eigentum stehende Gegenstände beim Schuldnerunternehmen abzuholen. Die insolvenzrechtlichen Sicherungsmaßnahmen sind vielfältig. Sie bilden eine gute Grundlage dafür, Vermögensabflüsse wirksam zu verhindern und einen laufenden Betrieb wieder in ein ruhigeres Fahrwasser zu führen und so eine Fortführung zumindest vorläufig zu ermöglichen. Der Grund für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ist in den seltensten Fällen Misstrauen gegenüber dem Schuldnerunternehmen oder dessen Vertretern. Meist sollen die Sicherungsmaßnahmen den unkontrollierten Einzelzugriff einzelner Gläubiger im Interesse der Gläubigergesamtheit verhindern, insbesondere um zunächst eine Betriebsfortführung zu ermöglichen. Auf diese Weise wird etwa gewährleistet, dass nicht vorschnell faktisch vollendete Tatsachen geschaffen werden, etwa weil Leasinggeber die betriebsnotwendigen Maschinen bereits abgeholt haben. Der Beschluss über die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen wird dem Schuldnerunternehmen vom Gericht zugestellt. Sicherungsmaßnahmen, die die Verfügungsbefugnis eines Schuldners einschränken, werden zudem im Justizportal des Bundes und der Länder (abrufbar unter https://www.insolvenzbekanntmachungen.de) öffentlich bekannt gemacht und im Handelsregister eingetragen. Die Aufgaben eines bestellten vorläufigen Insolvenzverwalters sind äußerst vielfältig und hängen von der Ausgangslage ab. In jedem Fall wird er ein Verfahrenskonto einrichten, über das fortan der komplette Zahlungsverkehr des Schuldnerunternehmens abgewickelt wird und auf das er offene Forderungen des Schuldnerunternehmens einziehen wird. Er wird das vorhandene Vermögen erfassen und inventarisieren. Bei laufendem Geschäftsbetrieb wird er die (wichtigsten) Lieferanten kontaktieren, um eine Weiter- oder Wiederbelieferung sicherzustellen. Ebenso wird er mit bedeutenden Kunden Kontakt aufnehmen, um die weiteren Absatzmöglichkeiten zu klären. Er wird im Rahmen einer Betriebsversammlung die Arbeitnehmer über den weiteren Verfahrensfortgang unterrichten und die Bezahlung deren Löhne und Gehälter sicherzustellen versuchen. Vor allem aber wird er – zusammen mit der Geschäftsleitung und einem etwaigen Betriebsrat – Sanierungs- und Fortführungsaussichten prüfen, ggf. erforderliche Sanierungsvorgänge einleiten und etwa notwendige Investoren suchen und entsprechende Verhandlungen mit ihnen führen. Im Rahmen einer Betriebsfortführung wird er die Liquidität des Schuldnerunternehmens intensiv überwachen und sicherstellen, dass die mit seiner Zustimmung begründeten Verbindlichkeiten beglichen werden können. Verbindlichkeiten die ohne vorhergehende Zustimmung des vorläufigen Verwalters begründet wurden, darf weder das Schuldnerunternehmen, noch der vorläufige Insolvenzverwalter bedienen. Das widerspräche dem in der Insolvenz vorherrschenden Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz, weil zur vollen Befriedigung aller Gläubiger (voraussichtlich) nicht mehr genügend Mittel vorhanden sind. Eine Gläubigerbegünstigung kann sogar strafbar sein (§283c StGB).

Liegt das Insolvenzgutachten vor, wird das Gericht in der Regel kurzfristig auf der Grundlage des Gutachtens über den weiteren Verfahrensfortgang entscheiden. Mögliche Entscheidungen sind die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse oder die Zurückweisung des Antrags als unbegründet oder unzulässig. Mit dieser Entscheidung endet das Insolvenzantragsverfahren. Im Falle der Verfahrenseröffnung mündet das Insolvenzantrags- oder Eröffnungsverfahren in das Insolvenzverfahren. Zur Verfahrenseröffnung kommt es, wenn ein zulässiger Insolvenzantrag vorliegt und nach der Überzeugung des Gerichts ein Insolvenzgrund vorliegt und die Verfahrenskosten gedeckt sind. Sind die Verfahrenskosten voraussichtlich nicht gedeckt, kommt es in diesem Fall zur Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse. Zur Beurteilung der Verfahrenskostendeckung wird nicht auf die aktuell vorhandenen Mittel, sondern auf die im Laufe des Verfahrens voraussichtlich zu realisierenden Mittel, also insbesondere einschließlich etwaiger Ansprüche, Verwertungserlöse etc., abgestellt. Liegt ein (einschlägiger) Insolvenzgrund tatsächlich gar nicht vor oder lässt sich das Bestehen des Insolvenzgrundes jedenfalls nicht zur Überzeugung des Gerichts belegen, wird der Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Stellt sich später heraus, dass der Insolvenzantrag unzulässig ist, wird er – sofern der Mangel nicht etwa noch geheilt wird – als unzulässig zurückgewiesen.

Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, bestellt das Gericht einen Insolvenzverwalter. Das muss nicht zwangsläufig der zuvor vom Gericht bestellte vorläufige Insolvenzverwalter oder Gutachter sein. Auf den Insolvenzverwalter geht mit der Verfahrenseröffnung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen über. Das Gericht oder – im Auftrag des Gerichts – der Insolvenzverwalter stellt den (bekannten) Gläubigern den Eröffnungsbeschluss zu. In dem Eröffnungsbeschluss werden – sofern nicht das Gericht das schriftliche Verfahren anordnet – der „Berichtstermin“ und der „Prüfungstermin“ anberaumt. Im „Berichtstermin“, der spätestens drei Monate nach Verfahrenseröffnung stattfinden muss, berichtet der Insolvenzverwalter über den bisherigen Verfahrensverlauf und gibt einen Ausblick auf die weiter anstehenden Maßnahmen. Die Gläubigerversammlung entscheidet auf der Grundlage dieses Berichts über den weiteren Verfahrensfortgang, insbesondere etwa darüber, ob ein noch laufender Betrieb weitergeführt oder eingestellt werden soll. Die genaue Tagesordnung wird im Eröffnungsbeschluss angegeben.
 
Mit Zustellung des Eröffnungsbeschlusses werden auch die Gläubiger aufgefordert, ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden. Diese Anmeldungen, die das Insolvenzgericht im sog. „Prüfungstermin“ behandelt, ist die Grundlage für die spätere Ausschüttung der Insolvenzquote an die Gläubiger. Im Prüfungstermin hat (neben dem Insolvenzverwalter und dem Schuldner) jeder Gläubiger die Möglichkeit, einer angemeldeten Forderung eines anderen Gläubigers zu widersprechen, was in der Praxis jedoch von geringer Relevanz ist. Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, werden die angemeldeten Forderungen im „Prüfungstermin“ nicht im eigentlichen Sinne geprüft. Das Gericht nimmt lediglich die im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter, Schuldner und von anderen Gläubigern erhobenen Widersprüche zu Protokoll. Die Klärung und eine etwaige Auseinandersetzung über bestrittene Forderungen erfolgen nicht vor dem Insolvenzgericht, sondern – soweit eine außergerichtliche Einigung in der Folge nicht erreicht werden konnte – vor den Prozessgerichten.
 
Im Übrigen sind die Aufgaben des Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren ähnlich vielschichtig wie die Wirtschaft selbst. Je nach Ausgangslage wird er einen Betrieb weiter fortführen, um ihn zu sanieren oder im Wege übertragender Sanierung zu veräußern. In diesem Zusammenhang wird er die Möglichkeiten der Aufstellung eines Insolvenzplans prüfen. Einen nicht fortführungsfähigen Betrieb wird er geordnet einstellen, meist nach einer Ausproduktion. Er wird die Arbeitspapiere für die Arbeitnehmer erstellen, insbesondere deren Insolvenzgeld- und Arbeitsbescheinigungen. Und schließlich wird er alle denkbaren Ansprüche aufzuklären und durchzusetzen versuchen. Soweit das Unternehmen nicht erhalten bleiben kann, wird er die vorhandenen materiellen und immateriellen Aktiva verwerten und den Erlös hieraus zur Insolvenzmasse – dem Vermögen das der Insolvenzverwalter treuhänderisch verwaltet – einziehen. Gegenstände, die nicht zur Insolvenzmasse gehören, z.B. Leasingsachen aber auch Waren, die unter einfachem Eigentumsvorbehalt geliefert wurden, hat der Insolvenzverwalter „auszusondern“, d.h. den Eigentümern herauszugeben. Das bedarf natürlich entsprechender Prüfung der Fremdrechte. Auch anderen Fremdrechte, die an Gegenständen des Schuldnerunternehmens lasten, wie etwa das Vermieterpfandrecht, Sicherungsübereignungen etc. hat der Insolvenzverwalter zu prüfen. Soweit das Fremdrecht insolvenzfest besteht, hat er die betreffenden Sicherungsnehmer abgesondert aus dem Verwertungserlös zu befriedigen, so die Fachsprache. Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter etwa die mit dem Vermieterpfandrecht belasteten Sachen verwerten darf, er jedoch den Großteil des Erlöses an den Vermieter auskehren muss, soweit sein Pfandrecht reicht. Alle Verträge, die das schuldnerische Unternehmen abgeschlossen hat, wird der Insolvenzverwalter prüfen. Er hat nämlich bei beidseits nicht vollständigen erfüllten Verträgen ein Wahlrecht, ob er in den Vertrag eintritt und ihn erfüllt, dafür aber auch die Gegenleistung vom Vertragspartner verlangen kann, oder ob er die weitere Erfüllung des Vertrags ablehnt. Dabei muss sich der Verwalter natürlich streng danach richten, ob das Geschäft für die Gesamtheit der Gläubiger vorteilhaft wäre oder nicht. Eine weitere Aufgabe des Insolvenzverwalters sind Prüfung und Durchsetzung von Anfechtungs- und Haftungsansprüchen; insbesondere hat er zu klären, ob Vermögen des Schuldnerunternehmens im Widerspruch zu insolvenzrechtlichen Wertungen verschoben oder aber auch an einzelne Gläubiger ausbezahlt wurde. Benachteiligungen von Gläubigern sollen auf diese Weise im Insolvenzverfahren weitgehend rückgängig gemacht werden. Daneben hat der Insolvenzverwalter eine Vielzahl öffentlich-rechtlicher Pflichten zu erfüllen, etwa im Steuer- und Sozialversicherungsrecht.
 
In den meisten Insolvenzverfahren können nicht alle Ansprüche und Angelegenheiten außergerichtlich geklärt werden. Das liegt angesichts der Komplexität der Materie in der Natur der Sache, zumal das Insolvenzrecht für viele Verfahrensbeteiligte ein eher unbekanntes Gebiet ist. Vor diesem Hintergrund müssen zur Klärung von Rechtsfragen und Ansprüchen häufig die Gerichte – teils über mehrere Instanzen – bemüht werden. Aus diesem Grunde dauern Unternehmers-Insolvenzverfahren im Durchschnitt etwa zwei bis vier Jahre; in größeren Verfahren oder bei langwierigen Rechtstreiten auch deutlich länger.

Sobald alles Vermögen des Schuldner-Unternehmens, hierzu gehören auch Ansprüche, z.B. Haftungsansprüche gegen Beteiligte, verwertet ist, erfolgt die Schlussverteilung. Die Gläubiger erhalten dann auf ihre Forderung die entsprechende Quote. Hat ein Schuldnerunternehmen beispielsweise EUR 10,0 Mio. Verbindlichkeiten und konnte der Insolvenzverwalter am Ende des Verfahrens eine liquide Masse i.H.v. EUR 5,0 Mio. realisieren, würde jeder Gläubiger – Verfahrenskosten aus Vereinfachungsgründen außer Acht gelassen – am Ende eine Quote von 50% auf seine individuelle Forderung erhalten. Ein Gläubiger, dem das Schuldnerunternehmen also beispielsweise EUR 100.000,00 schuldet, würde noch EUR 50.000,00 als Quote erhalten. Die durchschnittliche Insolvenzquote in Deutschland liegt indes – das soll nicht verschwiegen werden – bei lediglich 2% bis 4%, was jedoch auch auf eine hohe Zahl von Kleinstverfahren zurückzuführen ist, die ohne Quotenausschüttung enden.