Eröffnetes Insolvenzverfahren
Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, bestellt das Gericht einen Insolvenzverwalter. Das muss nicht zwangsläufig der zuvor vom Gericht bestellte vorläufige Insolvenzverwalter oder Gutachter sein. Auf den Insolvenzverwalter geht mit der Verfahrenseröffnung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen über. Das Gericht oder – im Auftrag des Gerichts – der Insolvenzverwalter stellt den (bekannten) Gläubigern den Eröffnungsbeschluss zu. In dem Eröffnungsbeschluss werden – sofern nicht das Gericht in einfacher gelagerten Fällen das schriftliche Verfahren anordnet – der „Berichtstermin“ und der „Prüfungstermin“ anberaumt. Im „Berichtstermin“, der spätestens drei Monate nach Verfahrenseröffnung stattfinden muss, berichtet der Insolvenzverwalter über den bisherigen Verfahrensverlauf und gibt einen Ausblick auf die weiter anstehenden Maßnahmen. Die Gläubigerversammlung entscheidet auf der Grundlage dieses Berichts über den weiteren Verfahrensfortgang, insbesondere etwa darüber, ob ein noch laufender Betrieb weitergeführt oder eingestellt werden soll. Die genaue Tagesordnung wird im Eröffnungsbeschluss angegeben.
Mit Zustellung des Eröffnungsbeschlusses werden auch die Gläubiger aufgefordert, ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden. Diese Anmeldungen, die das Insolvenzgericht im sog. „Prüfungstermin“ behandelt, ist die Grundlage für die spätere Ausschüttung der Insolvenzquote an die Gläubiger. Im Prüfungstermin hat (neben dem Insolvenzverwalter und dem Schuldner) jeder Gläubiger die Möglichkeit, einer angemeldeten Forderung eines anderen Gläubigers zu widersprechen, was in der Praxis jedoch von geringer Relevanz ist. Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, werden die angemeldeten Forderungen im „Prüfungstermin“ nicht im eigentlichen Sinne geprüft. Das Gericht nimmt lediglich die im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter, Schuldner und von anderen Gläubigern erhobenen Widersprüche zu Protokoll. Die Klärung und eine etwaige Auseinandersetzung über bestrittene Forderungen erfolgen nicht vor dem Insolvenzgericht, sondern – soweit eine außergerichtliche Einigung in der Folge nicht erreicht werden konnte – vor den Prozessgerichten.
Im Übrigen sind die Aufgaben des Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren ähnlich vielschichtig wie die Wirtschaft selbst. Je nach Ausgangslage wird er einen Betrieb weiter fortführen, um ihn zu sanieren oder im Wege übertragender Sanierung zu veräußern. In diesem Zusammenhang wird er die Möglichkeiten der Aufstellung eines Insolvenzplans prüfen. Einen nicht fortführungsfähigen Betrieb wird er geordnet einstellen, meist nach einer Ausproduktion. Er wird die Arbeitspapiere für die Arbeitnehmer erstellen, insbesondere deren Insolvenzgeld- und Arbeitsbescheinigungen. Und schließlich wird er alle denkbaren Ansprüche aufzuklären und durchzusetzen versuchen. Soweit das Unternehmen nicht erhalten bleiben kann, wird er die vorhandenen materiellen und immateriellen Aktiva verwerten und den Erlös hieraus zur Insolvenzmasse – dem Vermögen das der Insolvenzverwalter treuhänderisch verwaltet – einziehen. Gegenstände, die nicht zur Insolvenzmasse gehören, z.B. Leasingsachen aber auch Waren, die unter einfachem Eigentumsvorbehalt geliefert wurden, hat der Insolvenzverwalter auszusondern, d.h. den Eigentümern herauszugeben. Das bedarf natürlich entsprechender Prüfung der Fremdrechte. Auch anderen Fremdrechte, die an Gegenständen des Schuldnerunternehmens lasten, wie etwa das Vermieterpfandrecht, Sicherungsübereignungen etc. hat der Insolvenzverwalter zu prüfen. Soweit das Fremdrecht insolvenzfest besteht, hat er die betreffenden Sicherungsnehmer abgesondert aus dem Verwertungserlös zu befriedigen, so die Fachsprache. Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter etwa die mit dem Vermieterpfandrecht belasteten Sachen verwerten darf, er jedoch den Großteil des Erlöses an den Vermieter auskehren muss, soweit sein Pfandrecht reicht. Alle Verträge, die das schuldnerische Unternehmen abgeschlossen hat, wird der Insolvenzverwalter prüfen. Er hat nämlich bei beidseits nicht vollständigen erfüllten Verträgen ein Wahlrecht, ob er in den Vertrag eintritt und ihn erfüllt, dafür aber auch die Gegenleistung vom Vertragspartner verlangen kann, oder ob er die weitere Erfüllung des Vertrags ablehnt. Dabei muss sich der Verwalter natürlich streng danach richten, ob das Geschäft für die Gesamtheit der Gläubiger vorteilhaft wäre oder nicht. Eine weitere Aufgabe des Insolvenzverwalters sind Prüfung und Durchsetzung von Anfechtungs- und Haftungsansprüchen; insbesondere hat er zu klären, ob Vermögen des Schuldnerunternehmens im Widerspruch zu insolvenzrechtlichen Wertungen verschoben oder aber auch an einzelne Gläubiger ausbezahlt wurde. Benachteiligungen von Gläubigern sollen auf diese Weise im Insolvenzverfahren weitgehend rückgängig gemacht werden. Daneben hat der Insolvenzverwalter eine Vielzahl öffentlich-rechtlicher Pflichten zu erfüllen, etwa im Steuer- und Sozialversicherungsrecht.
In den meisten Insolvenzverfahren können nicht alle Ansprüche und Angelegenheiten außergerichtlich geklärt werden. Das liegt angesichts der Komplexität der Materie in der Natur der Sache, zumal das Insolvenzrecht für viele Verfahrensbeteiligte ein eher unbekanntes Gebiet ist. Vor diesem Hintergrund müssen zur Klärung von Rechtsfragen und Ansprüchen häufig die Gerichte – teils über mehrere Instanzen – bemüht werden. Aus diesem Grunde dauern Unternehmers-Insolvenzverfahren im Durchschnitt etwa zwei bis vier Jahre; in größeren Verfahren oder bei langwierigen Rechtstreiten auch deutlich länger.